3,01 geriuwen stv., leid sein, reuen.

3,02 kiusche und triuwe entsprechen hier den nhd. Begriffen, da es sich um das geschlechtliche Verhältnis handelt. Sonst hat kiusche speziell bei Wolfram den weiteren Sinn von „Selbstbeherrschung“, und triuwe bedeutet auch soviel wie staete.

3,03 vor gote, nhd. zu Gott. — biten mit dat. der Person (Gott oder einen Heiligen), für jemand um etwas bitten.

3,04 mâze, das Maßhalten, richtige Mittelmaß; mâze übersetzt das altfr. mesure, geht auf den aristotelischen Tugendbegriff zurück, der als Mitte zwischen zwei entgegengesetzten Lastern gefaßt ist, und ist das Ideal der mittelalterlichen aristokratischen Gesellschaft geworden, mit besonderer Geltung für die Frauen.

3,05 scham stf., Scham, Schamhaftigkeit. — slôz stn., Schloß, Verschluß. Die Scham ist die Schlußtugend ob allen siten, über allen Sitten. Hinter ihr sind alle übrigen Tugenden verborgen; vgl. 319,11 scham ist ob siten ein güebet uop.

3,06 dürfen praet. praes., notwendig haben, brauchen. Die mhd. Bedeutung lebt in nhd. bedürfen, Notdurft, darben noch fort. — einem heiles biten, einem Glück, Gutes wünschen. — Neben der mâze sind noch besonders die Tugenden, die das Verhältnis zum Manne betreffen, hervorgehoben. Welche Frau diesen innern Halt der mâze und scham nicht besitzt, auch die, welche kiusche und triuwe verschleudert, wird diu valsche genannt, die keinen wahren Ruhm erlangt.

3,08 f. wiederum ist eine sprichwörtliche Redensart in eine Frage umgewandelt wie 1,26. — stæte adj., dauerhaft. — ein: mhd. steht oft der unbestimmte Artikel bei Stoffbezeichnungen.

3,10 vil adv., steht oft bei adj. und adv. zur Verstärkung, unserm nhd. „sehr“, „gar“ entsprechend. — sus, verstärkt alsus, auf diese Weise, ebenso: niemals vergleichend, im Gegensatz zu , das korrelativ und demonstrativ ist.

3,11 manec, nur im nom. unflektiert, gehört zu schœne (Schönheit). — breit, weitverbreitet.

3,12 conterfeit (fr. contrefait), nachgemacht, falsch. Ein solches gefälschtes Herz in schöner Leibeshülle lobe ich ebensowenig als ich in Gold gefaßten blauen Glasfluß (safer) loben würde (solde).

3,15 adversativ, ohne besondere Partikel: andrerseits halte ich. — für lîhtiu dinc, für etwas Leichtes, Geringfügiges.

3,16 swer, konditional: wenn jemand. — kranc adj., schwach, minderwertig, nichtig. Dem nhd. krank entspricht mhd. siech.

3,17 verwurken swv., in etwas hinein wirken, fassen. — rubîn stm., häufig rubbîn geschrieben, wo die beschwerte Hebung der ersten Silbe Länge fordert.

3,18 âventiure stf., aus altfr. aventure, mlat. adventura, (glückliches) Geschehnis; dann Erzählung davon, Quelle; ferner alles Abenteuerliche, Wunderbare, was bei den Edelsteinen die Zauberkräfte sind. Solche kommen dem Rubin zu, wie es denn im Mittelalter ganze Lapidarien über die Zauberkräfte der Edelsteine gibt.

3,20 diu, konditionale Anknüpfung: wenn eine. — einem dinge rehte tuon, ihm entsprechen, Genüge tun. — wîpheit, das Weibsein, Weiblichkeit, weibliche Empfindung.

3,21 varwe stf., Farbe, in weiterem Sinne Aussehen. — prüeven swv., untersuchen, beurteilen. V. 26 schildern, charakterisieren.

3,22 herzen dach, Decke des Herzens: der Busen; vgl. 111,4.

3,23 bewarn swv., sorgen dafür, daß etwas zur Sicherung geschieht, oder daß etwas verhütet, abgewendet wird; bewart demnach: gut ausgerüstet.

3,24 wert adj., von hohem Wert, edel. Als schmückendes Beiwort stammt das Wort aus dem niederrhein. und md. und wird besonders von Wolfram und seinen Nachahmern gebraucht. — verschart part. von verscherten, schartig machen (ohne Rückumlaut verschert 421,29, unverschertet 625,19; praet. verscherte 141,4. 571,6). niht verschart, nicht schlecht angebracht.

3,25 suln, umschreibt den Konjunktiv.

3,26 ze rehte, richtig. — künnen, verstehen.

3,27 das mære ist persönlich aufgefaßt. Das gäbe eine lange Geschichte. — Damit bricht Wolfram die einleitenden Betrachtungen ab und geht zu seiner eigentlichen Erzählung über.

3,28 site, drückt einen neutralen Begriff aus; oft fast nur nominales Hilfswort. — dirre âventiure site, das Wesen, die Art dieser Erzählung.

3,29 beide für beidiu, s. 2,10.

3,30 liebe stf., meistens nicht ganz nhd. Liebe (das ist mhd. minne) entsprechend, sondern Lust, rein geistige Freude. Dazu Gegensatz leide stf., Trauer, Leid; vgl. 329,21. 372,14.